Wer auf der Suche nach guten Nachrichten in Sachen Energiewende ist, der konnte sich zuletzt freuen – zumindest, wenn er nicht allzu genau hinschaute. So war 2018 ein neues Rekordjahr für Erneuerbare Energien: 38,2 Prozent des deutschen Stromverbrauchs kamen aus Wind, Wasser und Sonne. Am Neujahrsmorgen 2018 reichte der Ökostrom sogar erstmals aus, um ganz Deutschland zu versorgen, wie Zahlen der Bundesnetzagentur belegen. Das Ziel der Bundesregierung, bis 2030 mindestens 65 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Quellen zu erzeugen, rückt scheinbar näher. Und auch beim CO2-Verbrauch gibt es Erfolge. Nach Jahren der Stagnation fiel der Ausstoß 2018 um 50 Millionen Tonnen – ein Rückgang von 5,7 Prozent, wie der Berliner Thinktank Agora Energiewende errechnet hat.
Alles gut also? Mitnichten. Denn wer mit Experten spricht, dem begegnet Ungeduld, geradezu Genervtheit – weil die Politik trödelt. Allein wegen der Turbulenzen der schwarz-roten Koalition habe man im Prinzip „zwei Jahre verloren für den Klimaschutz”, sagt Maike Schmidt vom Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstofforschung (ZSW) in Stuttgart. „Die Energiewende wird nur noch verwaltet und nicht mehr gestaltet – und uns läuft die Zeit davon.”
Denn die Fortschritte täuschen über ein Grundproblem hinweg: Mit dem einfachen „weiter so“ ist es nicht mehr getan. Der Dreiklang aus Ausbau des Öko-Stroms, Atomausstieg und Netzausbau mag lange getragen haben – nun ist das Energiesystem an einem Wendepunkt angekommen, an dem größere Umbauten nötig sind, wenn es den nächsten Entwicklungsschritt nehmen soll. „Lange Zeit musste am System nichts Grundlegendes geändert werden”, sagt Schmidt. „Doch jetzt muss es Weichenstellungen von der Politik geben – sonst wird sich an vielen Stellen nichts tun, denn die Akteure am Markt warten darauf.”